Prävention !? Was wäre wenn alle Drogen legal wären? Ein Szenario. - "Nicht trinken ist geil" - Selbsthilfegruppe für Suchtkranke und Angehörige

Begegnungsgruppe
für Suchtkranke und Angehörige e.V.
- Gifhorn -
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Was wäre, wenn …
… alle Drogen legal wären? Ein Szenario.

Text: Christoph Koch
Fotografie: Philotheus Nisch

• Zahlreiche US-Bundesstaaten haben in den vergangenen Jahren Marihuana  legalisiert, zumindest für medizinische Zwecke. Einige, wie Colorado,  Oregon und Kalifornien, erlauben den Cannabiskonsum inzwischen auch zu „rekreativen Zwecken“, also zum Vergnügen. Auch in Deutschland wird  verstärkt über die Freigabe von Marihuana debattiert. Doch was würde  passieren, wenn man nicht nur Marihuana, sondern gleich alle bislang verbotenen Drogen freigäbe?

Schulkinder, die am Kiosk Heroin kaufen können, Kinowerbung für Kokain –  das will niemand. Bei einer Legalisierung müsste eine kontrollierte  Abgabe sichergestellt sein – etwa durch Apotheken oder Geschäfte mit  einer speziellen Lizenz. Altersgrenzen wären ebenso nötig wie ein  Werbeverbot. Bestimmte Drogen gäbe es nur auf Rezept, nach ärztlicher Untersuchung oder einem Beratungsgespräch.

Laut Schätzungen des Büros für Drogen- und Verbrechens-
bekämpfung der Vereinten Nationen konsumieren derzeit weltweit 255 Millionen Menschen illegale Substanzen. Entgegen gängiger Auffassungen werden 88 Prozent der Nutzer nicht schwer abhängig oder  rutschen sozial ab, sondern haben ihre Drogennutzung weitgehend im Griff. Die Gefahr, dass der Konsum durch eine Legalisierung zunähmen,  schätzen Experten als sehr gering ein. Sicherlich gibt es einige Neugierige, die die Kriminalisierung bislang davon abhält, einmal  Ecstasy auszuprobieren. Andererseits nähme eine Legalisierung den Reiz  des Verbotenen. Grundsätzlich gilt: Wer unbedingt Drogen nehmen will, tut dies in der Regel ungeachtet eventueller Verbote. „Es lässt sich kein Zusammenhang zwischen der Rechtsentwicklung und der Konsumentwicklung beobachten“, fasst Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, einen Bericht der  Europäischen Drogenbeobachtungsstelle zusammen.
      
      
Bernd Werse, Mitbegründer des Centre for Drug Research an der Frankfurter Goethe-Universität, bestätigt das: „In den Niederlanden kiffen kaum mehr Menschen als in Deutschland, und auch in Colorado gab es nach der Legalisierung nur einen kurzfristigen Anstieg unter jungen Erwachsenen – nicht unter Jugendlichen.“ In Tschechien und Portugal, wo der Konsum harter Drogen zumindest entkriminalisiert worden sei, habe sich dadurch nichts geändert. „Die Konsumraten sind teilweise sogar gesunken.“
Der weltweite Umsatz mit illegalen Drogen wird, je nach Quelle, auf  bis zu 600 Milliarden Euro geschätzt, der größte Teil davon entfällt auf  Cannabis, gefolgt von Kokain. Für Deutschland geht man von rund 2,5  Milliarden Euro pro Jahr aus. Die Preise sind aus mehreren Gründen hoch: Der Markt ist durch die Illegalität begrenzt, intransparent und dadurch ineffizient. Außerdem gleichen vom Erzeuger über den Schmuggler bis zum Verkäufer alle Beteiligten ihr Risiko durch hohe Margen aus.
Sinkende Preise hätten einen Rückgang der Beschaffungskriminalität zur Folge. In Colorado und anderen US-Staaten, die Marihuana legalisierten, gingen beispielsweise die Gewaltverbrechen deutlich zurück. Damit gerade harte Drogen durch eine Legalisierung nicht zu billig und dadurch attraktiv werden, könnte man sie wie Tabak und Alkohol besteuern. Die libertäre US-amerikanische Denkfabrik Cato Institute schätzt in einem Bericht die möglichen Steuereinnahmen für die  USA auf rund 46,7 Milliarden Dollar.
Maximilian Plenert, Sprecher des Bundesnetzwerks Drogenpolitik bei den Grünen, geht für Deutschland von Einnahmen von einer Milliarde Euro allein durch die Besteuerung von legalisiertem Marihuana aus. Hinzu  kämen Einsparungen bei Polizei und Justiz. Das Cato Institute beziffert sie für die USA mit 41,3 Milliarden Dollar fast genauso hoch wie die potenziellen Steuereinnahmen.
Wie viele Menschen von der Herstellung und dem Handel mit illegalen  Drogen leben, lässt sich nicht verlässlich ermitteln. Schätzungen zufolge leben zum Beispiel in Marokko rund eine Million Menschen von der Drogenherstellung. Und allein für den mexikanischen Drogenboss Joaquín  Guzmán, „El Chapo“ genannt, sollen rund 150 000 Menschen direkt oder indirekt arbeiten.
Was würde also aus den Produzenten, den Dealern und Schmugglern?  Häufig wird befürchtet, dass diese sich einfach auf andere illegale  Geschäfte verlagern – vom Waffenschmuggel bis zum Bankraub. „Produzenten  könnten, wenn sie Qualitätsstandards einhalten, ganz legal an die  Abgabestellen liefern“, sagt Bernd Werse. „Aber auch Dealer und Schmuggler würden vermutlich nur selten in andere illegale Bereiche wechseln, da sich beispielsweise der Markt für geschmuggelte Waffen ja  nicht beliebig erweitern lässt. Ohnehin wird ein Großteil des Endverbrauchermarktes durch Konsumenten bestritten, die kleine Mengen weiterverkaufen.“
Natürlich würde es auch bei einer Legalisierung einen – wenn auch deutlich kleineren – Schwarzmarkt geben, zum Beispiel weil Jugendliche durch die Altersbegrenzung weiterhin ausgeschlossen wären. „Studien haben aber gezeigt, dass die meisten Jugendlichen sich nicht über Dealer versorgen, sondern über Freunde“, so Werse. „Dieses Social Supply  genannte Phänomen würde vermutlich bestehen bleiben, und ein großer Teil davon käme letztlich aus legalen Quellen.“
       
        
Dass eine Legalisierung auch eine bessere Qualitätskontrolle und damit geringere Gesundheitsrisiken bedeutet, ist eines der wichtigen Argumente der Befürworter. Bei einem Verkauf über lizenzierte Stellen ließe sich etwa die Reinheit besser kontrollieren und somit Überdosierung vermeiden. Auch der Anreiz, Altersgrenzen einzuhalten, ist für einen lizenzierten Händler höher als für einen illegalen Dealer, der eine Straftat begeht – ob er an Erwachsene verkauft oder an Kinder.  Nicht zuletzt würde eine Legalisierung auch die Erforschung von Drogen,  ihrer Wirkung und der Entstehung von Sucht erleichtern – was die Behandlungsmethoden verbessern könnte.
„Rechtsphilosophisch ist es ohnehin schwierig, Menschen für etwas zu bestrafen, womit sie ausschließlich sich selbst schaden“, sagt Bernd Werse. „Dazu kommt, dass die Zahl der Drogentoten steigt, je repressiver eine Gesellschaft mit Drogen umgeht.“
So sterben beispielsweise in Schweden, wo sehr hart gegen Drogen vorgegangen wird, viermal so viele Menschen daran wie im europäischen Durchschnitt. Auch Bayern, das in Deutschland die rigideste Drogenpolitik hat, ist das Bundesland mit den meisten Drogentoten.

Im  besten Fall könnte eine Legalisierung
also Leben retten.

Quelle: brand eins

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